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„Denn mein Haus soll genannt sein ein Haus des Gebetes für alle Völker“

Geschichte - Juden in Aachen

Wen nicht schon in römischer Zeit, so lebten nachweislich in der Karolingerzeit einzelne Juden in Aachen. Eine Quelle nennt 797 den jüdischen Gesandten Isaak, der im Auftrag Karls des Großen aus Aachen an den Hof des Harun-al-Raschid zog. Bis zur Französischen Revolution finden sich aber nur vereinzelte Spuren jüdischen Lebens. Erst im 19. Jahrhundert blühte die Gemeinde auf. 1854 wurde der Regierungsbezirk in fünf Synagogengemeinden aufgeteilt: Aachen, Dürren, Jülich, Geilenkirchen, Heinsberg-Erkelenz und Gemünd; die Synagogen Gemeinde Aachen konstituierte sich 1861.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hatte ein Betraum bestanden. Anstatt eines zunächst geplanten Neubaus wurde am 4. Januar 1839 eine Synagoge in einem Haus am Hirschgraben (829a, später Hausnummer 10) eingeweiht. Sir Moses Monteffore stiftete hierfür eine moderne Gasbeleuchtung. Seit 1850 nahmen Männer und Frauen gemeinsam am G‘ttesdienst teil, die Frauen auf der rechten, die Männer auf der linken Seite des Raums. Der G‘ttesdienst wurde von Chorgesang und Orgelspiel begleitet.

1860 erfolgte der Kauf eines Grundstücks an der Promenadenstraße, auf dem am 18./19. September 1862 die neue Synagoge eingeweiht wurde. Im Synagogenbereich befand sich zusätzlich ein „Stibl“, ein kleiner Betraum, der später von aus Osteuropa stammenden Juden zum G‘ttesdienst genutzt wurde. Neben der Synagoge entstand ein Gemeindehaus, und 1868 wurde der Komplex durch einen Schulanbau erweitert. Das Israelitische Alten-und Kraricenheim am Kai verbenden 87 wurde am 10. Juni 1913 eröffnet. Die nach Plänen und unter Aufsicht des Aachener Architekten Wilhelm Wickop 1862 gebaute Synagoge fügte sich in Höhe und Ausmaß in die umliegende Bebauung ein, setzte Jedoch mit ihrem orientalisch, „maurisch“ geprägten Baustil einen Akzent, der sie heraushob. Die dreigliedrige Fassade bestand aus einem breiteren Mittelteil und zwei davon abgehobenen, schmalen eckturmähnlichen Seitenteilen. Diese waren einerseits horizontal gegliedert, insbesondere durch einen Wandfries in der Höhe des Türbogens, andererseits vertikal betont durch jeweils drei übereinander angeordnete schmale Maueröffnungen. Die charakteristische „neo-islamische“ Gestaltung setzte sich fort in einer Portalanlage, die sich im Mittelrisalit bis zu fünf Sechstel der Gesamthöhe hinaufzog. Hauptelement des Portals war ein zurückspringendes quadratisches Wandrelief, strukturiert durch eine Rundbogentür und zwei hufeisenbogenförmige Fenster im unteren Bereich sowie einen darüber sich erhebenden breiten Rundbogen mit einem Rundfenster in seiner Mitte. Den Fassadenabschluß bildeten eine reich ziselierte Bogenkante und Zinnen, und über den Seitenteilen erhoben sich zwei polygonale überkuppelte Türmchen. Die Fassade ist breiter als das sich daran anschließende Langhaus. Das Innere der Synagoge wurde zu einem uns unbekannten Zeitpunkt gründlich renoviert. Ein Vergleich des Bildmaterials zeigt, dass die ursprüngliche reiche Innenausmalung und die zahlreichen Inschriftentafeln  reduziert und entfernt wurden. Auffallend ist auch, daß die seitlichen Emporen demontiert worden sind. Die durch sie erforderliche Gliederung der Seiten in Rundbogenfenster oben und Rechteckfenster unten ist mit zweisprachigen Inschriften gefüllt worden. Die übrige Innenausstattung scheint unverändert geblieben zu sein.

Auf den Zusammenklang von äußerer und innerer Gestaltung wies der letzte Gemeinderabbiner Dr. David Schönberger in seiner Gedenkrede zum 75. Geburtstag der Synagoge hin: „Das Innere, ganz in maurischem Stil gehalten, ist ein hoher, kubischer Saalbau, dessen klare und einfache Form eine beruhigende Wirkung ausübt und alle Aufmerksamkeit auf den farbenprächtigen und formenreichen Almemor lenkt. Die Einrichtung, das Gestühl, die vergoldeten Leuchter und die reichgeschnitzte Kanzel sind nach den Plänen Wickops angefertigt, so daß die Einheit des Stils gewahrt wurde.“

Werner Levano, einst Mitglied der Gemeinde, erinnert sich an die besondere Atmosphäre, die den Besucher beim Eintritt in die Synagoge in ihren Bann zog: „Eindrucksvoll umfängt uns die Andacht und Weihe des großen und hohen Gebäudes. Als einzige Lichtquelle in der Höhe erhellt ein lichtes Fenster die würdevolle Szene, im Hintergrund die Tafel der zehn Gebote. Mosaiken mit kunstvollen Ornamenten schmücken die Wände. Der Schrank mit den Thora-Rollen wird von einem kostbaren Samtvorhang verborgen und öffnet sich geheimnisvoll wie von Geisterhand bei Druck auf einen elektrischen Knopf. Ein gewaltiger maurischer Bogen lenkt den Blick in das Allerheiligste. Davor der Betraum für die Andächtigen; harmonisch gegliedert und durch den breiten Mittelgang aufgeteilt in zwei Hälften - rechts die Frauen und links die Männer. Riesige Bronzeleuchter hängen an endlosen Gestängen dicht über unseren Häuptern. An den Seiten links und rechts die Galerien, auf die wir Kinder gerne steigen. Über dem Hauptausgang liegt die Empore für die Orgel und den Synagogenchor.“

In der Nacht vom 9. auf den 10. November, in der SA und SS durch Aachen zogen, wurde die Synagoge niedergebrannt. Für dieses Geschehen, das von einem nahegelegenen Polizeirevier ausging, sind zahlreiche Augenzeugenberichte überliefert. Nachdem sich dort ca. 15 Männer in Zivil, „mit Äxten und Beilen und sonstigem Werkzeug bewaffnet“, versammelt hatten, drangen sie gegen 2.30 Uhr gewaltsam in die Synagoge ein, zerschlugen die Holzbänke, stapelten sie in der Mitte und zündeten sie mit Hilfe von Benzin an. Der Brand wurde beschleunigt, indem Löcher in das Synagogendach geschlagen wurden. SS-Männer stiegen auf das Synagogendach und rissen die Davidstemme herunter. Kurz darauf stürzte eine Kuppel in sich zusammen, aber noch am folgenden Nachmittag rauchten die Trümmer des völlig zerstörten G‘tteshauses. Die Ruine wurde später abgerissen.

Das Empfinden angesichts der Zerstörung vermittelt die Erinnerung eines Gemeindemitgliedes:

„…die Synagoge und die daneben liegenden jüdischen Anstalten - darunter unser Jugendheim -waren stets das Zentrum des jüdischen Lebens und bedeuteten uns allen weitaus mehr als lediglich ein Haus. Einige Minuten weilte ich dort. Die Feuerwehr bemühte sich, daß der Brand nicht auf die Nachbarschaft übergriff, tat jedoch nichts, um das Feuer zu löschen. Als eine der Kuppen  in Trümmer fiel, war es mir, als ob man mir ein Messer durch das Herz gestoßen hätte.“

Am 31. März 1957 wurde in der Oppenhoffallee 50 eine neue Synagoge eingeweiht. Dazu war ein bestehendes Patrizierhaus in eine Synagoge mit großem Gemeindefestsaal und darüber liegendem G‘ttesdienstraum umgebaut worden. 1984 wurde am Platz vor der früheren Synagoge ein Mahnmal eingeweiht, 1986 faßte der Rat der Stadt Aachen den Plan, „das Bet- und Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde an seiner historischen Stelle wieder erstehen zu lassen.“ Es entstand ein von dem Architekten Alfred Jacoby entworfener zylindrischer Kuppelbau, der am 18. Mai 1995 eingeweiht wurde. Er erinnert in seiner Farbigkeit, seiner Inschrift über dem Eingang, seiner Flächengliederung wie dem Kontrast zwischen zentraler rechteckiger Glasfläche einerseits und den seitlichen schmalvertikalen Scharten andererseits an die 1938 zerstörte Synagoge von 1862.

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